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Pilgern auf der Via Gebennensis: Frangy - Seyssel Etappe 4

  • Autorenbild: Pilgern unter einem Hut - Unterwegs mit Sandra
    Pilgern unter einem Hut - Unterwegs mit Sandra
  • 19. Sept.
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 24. Sept.

Lies unten, wo Frau Pilgerhut in den französischen Voralpen Edelweiß gefunden hat


Via Gebennensis - Tag 4 - Rhonetal und Edelweiß

Rhonetalblick: Schon gegen Ende der Etappe - kurz vor Seyssel
Rhonetalblick: Schon gegen Ende der Etappe - kurz vor Seyssel

Pilgern am Feiertag


Genau wie in Deutschland: 1. Mai ist Feiertag. Wieder heißes Wetter. Ich habe vorgesorgt und gestern Abend in Frangy im Supermarkt noch ein paar Kleinigkeiten für unterwegs eingekauft: Banane, Apfel, Kekse, Nüsse und eine Flasche Wasser. Mit zwei Extrakilo Essen & Wasser im Rucksack mache ich mich auf den Weg. Tagsüber hungern schlägt sich sonst mies auf meine Laune nieder. Noch mieser, wenn ich ohne Vorräte zufällig an einem Laden vorbeikäme und der wegen des Feiertags zu hätte. Naja. Dass Geschäfte unerwartet auftauchen, passiert nicht. Weder geöffnete, noch geschlossene.

Ich befinde mich immer noch im französischen Alpenvorland, mittlerweile allerdings schon am Rand des Departements Haute-Savoie. Nachdem ich die Rhone in Genf bislang einmal überquert und damit hinter mir gelassen hatte, kommt die Verflossene heute erstmals - in schönstem Blau - wieder in Sicht. Das passiert allerdings erst gegen Ende meines Pilgertages. Von jetzt an wird unsere Beziehung intensiver werden. Die nächsten Tage werde ich kaum von ihrer Seite weichen. Die Strecke heute wartet mit Apfel- und Kirschbaumwiesen auf und schönen Ausblicken ins Hinterland.


Viele Obstbaumwiesen zwischen Frangy und Seyssel
Viele Obstbaumwiesen zwischen Frangy und Seyssel

Zwischendurch geht es in ein kurzes Waldstück. Ich bin dankbar für den Schatten. Tonnenweise Bärlauch wächst dort am Wegesrand und es riecht entsprechend würzig. Ich mag den Geruch sehr. Der Standort scheint optimal zu sein, denn Bärlauch liebt geringe Sonneneinstrahlung, kühl feuchte Bedingungen und nährstoffreiche Böden. Die vorhandene Menge würde mehrere Großküchen versorgen. Aber auch heute begegne ich weder Bärlauchpflückern noch anderen Menschenseelen.


Paradies für Bärlauchliebhaber
Paradies für Bärlauchliebhaber

Wenigstens Tierseelen nehmen Kontakt zu mir auf. Ich werde häufig von bellenden Hunden hinter hohen Zäunen begrüßt; weniger oft von neugierigen Schafen; ab und zu von Eseln in allen Schattierungen von weiß bis schwarz und ganz selten von sich sonnenden Salamandern.

Ich habe mich ernsthaft gefragt, warum man sich hier mit Vorliebe Esel hält. Immer noch als Lastentiere? In ländlichen Gegenden wurden Esel ja früher als Helfer bei Feldarbeiten eingesetzt, beim Transport für Erntegut auf kurzen Strecken, wo die Pferde schlecht hinkamen. Oder als Biorasenmäher? Dann müssen sie hier extrem viel Hunger haben, das Gras ist reichlich vorhanden und hoch. Kann man die mieten als Jakobswegbegleiter? Aber dann hätte ich als potentielle Mieterin doch wohl Schilder sehen sollen?

Die Tierhitparade am heutigen Jakobswegrand:




Das Rätsel um den Aufkleber in der Kirche von Designy


Anweisung in der Kirche von Designy,
Anweisung in der Kirche von Designy,

In Designy, einem kleinen Ort, durch den der Jakobsweg mich heute führt, besuche ich die Kirche. Laut meiner App Caminolove gibt es hier einen Stempel für den Pilgerpass. Da diese bisher rar waren, würde ich mich über einen weiteren Abdruck freuen. Über die Instruktionen auf einem Blatt, was ich hinten in der Kirche finde, kann ich mich köstlich amüsieren. Vor meinem inneren Auge sehe ich Pilger randalieren ...

Auf Französisch wird darauf verwiesen, dass statt Stempel hier ein selbstklebender Aufkleber vorhanden ist - man solle sich bedienen. Handschriftlich hat ein netter Pilger auf Englisch hinzugefügt, dass es hier "Stickers instead of stamps" gäbe, die aber wahrscheinlich nicht immer neben dem Blatt gelegen haben, was daraufhin wohl dazu führte, das jemand viele Fragezeichen und die entrüsteten Worte:"What? Where?" hinzufügte.

Um weitere Aufklärung bemüht, hat die nächsten hilfsbereite Person auf Deutsch und Englisch hinzuzufügt: "Man findet ihn im Haus nebenan." Diese Zusätze sind aber bereits wieder durchgestrichen, denn nun liegen die Sticker wieder neben dem Blatt - friedlich im Körbchen. So, als wäre dies alles nie passiert.

Ich vermute, dass der ein oder die andere Pilgerin ohne französische Kenntnisse hier verwirrt und ohne Sticker wieder rausgegangen ist...


 Bei mir lagen die Aufkleber gut sichtbar daneben.
Bei mir lagen die Aufkleber gut sichtbar daneben.

Vierte Übernachtung: Gite Edelweiß 


Ich habe mich heute für meine erste französische Gite, also Pilgerherberge, entschieden. Mit Abendessen und Frühstück. "Edelweiss" heißt sie, liegt etwas oberhalb von Seyssel und hat eine hübsche Terrasse samt traumhafter Aussicht. Mit 35 Euro bisher meine günstigste Übernachtung. Ich frage die Betreiberin, warum sie diesen Namen gewählt hat. Ist ja ein deutsches Wort. Und so hochgelegen, dass man dieses hübsche Blümchen hier pflücken könnte, ist dieser Ort auch nicht. Der Grund ist sehr banal. Sie mag einfach das Aussehen. Und Edelweiß auf Französisch heißt: Edelweiß. Wieder was gelernt. Ich lerne auch noch, dass Löwenzahn "pissenlit" heißt, was ich wortwörtlich mit "Piss-ins-Bett" übersetzen würde. Das gibt mir zu denken.

4-er Schlafsaal. Ich hatte auf andere Pilger gehofft. Was soll ich sagen - ich hab das Zimmer für mich allein. Da snorrt mir dann zumindest keiner rein in meine sensible Nachtruhe.

Aber es trudelt tatsächlich noch ein weiterer Pilger ein. Er bekommt seinen eigenen Schlafsaal. Rafael aus Stuttgart pilgert nur eine knappe Woche. Wir sitzen zusammen beim Essen. Es gibt als Vorspeise Bouillabaise (lecker), dann Kalbsfleisch mit Reis (lecker) , regionalen Käse (viel und lecker) und Mousse au chocolate (sehr lecker, aber schon satt). Vier Gänge. Was für eine tolle Köchin!

Ich bin dankbar mit Rafa mal wieder ein paar Worte deutsch sprechen zu können, bei denen sich herausstellt: wir sind gestern die gleiche Strecke gegangen, ohne uns zu treffen. Ok. Nicht ungewöhnlich. Er zeigt mir seine Bilder. Auf einem Foto ist ein Schild mit dem Namen des Gipfels und der Höhenmeterangabe zu erkennen. Es steht auf über 1200 Meter. Hä?! Wo ist denn das, bitte? Meine Garmin zeigt für gestern nur eine maximale Höhe von 900 Metern an. Die Landschaft auf den anderen Bilder erkenne ich auch nicht. Ich zeige meine Bilder.

Er erklärt, dass er sich komplett verlaufen hat und abends von seinem Gastgeber 10 Kilometer vom Ziel entfernt abgeholt werden musste, weil er sonst nicht vor 22 Uhr angekommen wäre ...

Wie ist das möglich? Es ist doch bombastisch ausgeschildert hier.

Ich versuche später im Zimmer auf Googlemaps zu rekonstruieren, wo genau er war. Ist mir nicht gelungen. Ich gehe mal davon aus, dass ich Rafael morgen wohl nicht wieder treffen werde ...


Von Fassaden darf man sich nicht abschrecken lassen, Eingang war rechts und drinnen war es ok. Wasser, Strom, alles vorhanden, aber natürlich kein neues Gebäude.
Von Fassaden darf man sich nicht abschrecken lassen, Eingang war rechts und drinnen war es ok. Wasser, Strom, alles vorhanden, aber natürlich kein neues Gebäude.
Zimmer in der Gite Edelweiss
Zimmer in der Gite Edelweiss

Tagesfazit: Ich bin immer noch behutsam und mich schonend unterwegs. Die Etappe hat mir gut gefallen, auch die Hitze habe ich heute besser vertragen. Nach 4 Tagen fühle ich mich allmählich ein wenig fitter. Ich würde mir nur wünschen, dass der Hustensaft endlich anschlagen würde. Aber es wird zumindest nicht schlimmer. Ich glaube langsam, ich kann es schaffen bis nach Le Puy. Auch mit Husten.


 I m so happy to be here
I m so happy to be here

Der nächste Etappenstopp heißt für mich: Chanaz

Wenn du Frau Pilgerhut weiter durch Frankreich begleiten willst, lies weiter im nächsten Beitrag.






Kommentare


Die Frau (unterm) Pilgerhut:

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Autorin | Pilgerin | Pilgersteinmalerin | Hobbyfotografin |

4 Jakobswege = 1650 km

Buen Camino!

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