Pilgern auf der Via Gebennensis: Les Abrets - Le Pin Etappe 9
- Pilgern unter einem Hut - Unterwegs mit Sandra

- vor 1 Tag
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Via Gebennensis - Tag 9 - Eine alte Pilgerbekanntschaft
Die Etappe nach Le Pin zeichnet sich durch ein Wiedersehen, steinige Passagen, einen Stopp in der Kirche von Valencogne, ständigem Nieselregen, einen wunderschönen Blick auf den Lac de Palandru und einen nicht empfehlenswerten Umweg aus.

Ich habe das Fläschchen Hustensaft heute ausgetrunken und weggeworfen. Geholfen hat es nicht. Gehe immer weiter, trotz Husten. Nachdem mich Hélène nach alter französischer Frühstückstradition (Tee aus einer riesigen Schüssel damit das Baguette samt Aufstrich bequem reingetunkt werden kann) wieder an meinem Ausgangsort im Zentrum von Les Abrets abgesetzt hat, folge ich den Markierungen des Chemin de St. Jacques aus der Stadt heraus. Etwa 22 Kilometer will ich heute gehen. Ich hatte es an anderer Stelle schon geschrieben - Pilgern auf der Via Gebennensis ist, bis auf minimale Abweichungen, bis nach Le Puy mit dem GR 65, einem Fernwanderweg durch Frankreich, identisch.
Beerdigung in Valencogne
Hauptsächlich landwirtschaftliche Fahrwege, teilweise mit steinigen Passagen, vorbei an Wiesen und durch Wälder, führen mich in den nächsten Ort Valencogne. Dort an der Kirche angekommen, werde ich Zeuge einer Beerdigung. Eine ältere Dame ist verstorben, ihr großes Portrait vor dem Eingang der Kirche positioniert. Die bedrückte Trauergemeinschaft verlässt gerade die Kirche, die tiefe Anteilnahme ist für mich spürbar. Besonders ein junger Mann im Anzug, vielleicht ein Enkel der Verstorbenen, ist in Tränen aufgelöst und untröstlich über den Verlust. Mir geht die Szene ebenfalls nahe.
Mein Plan war es die Kirche zu besuchen, aber ich will mich nicht mit meinem Pilgerrucksack durch die auf dem Platz dicht versammelten Trauernden in die Kirche drängeln. Aus Respekt warte ich, bis sich die Gesellschaft langsam auflöst. Neben mir steht plötzlich ein uralter Mann im dunklen Jackett. Ein Weltkriegsveteran, der am Revers seine Verdienstorden trägt. Ich kenne mich da nicht aus, mit den bunten Schleifen am Band, aber es mutet für mich als Deutsche merkwürdig an zu sehen, dass jemand nach so vielen Jahren immer noch mit Stolz seine Orden zeigt, was in Frankreich sicher für einen besonderen Anlass wie diesen nichts Ungewöhnliches ist. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass heute der 7. Mai ist, also nur ein Tag vor dem 8. Mai, dem Jahrestag der deutschen Kapitulation vor genau achtzig Jahren. Ein Tag, der in Frankreich seit 1981 wieder als Feiertag begangen wird.

Kirche mit Infotafel
Als ich schließlich die Kirche betrete, finde ich eine große Tafel mit Informationen zu den vier Hauptjakobswegen durch Frankreich. Ich habe mal auf dem Foto mit Pfeil markiert, wo Valencogne liegt. Auf dem dritten der vier Arme, relativ am Anfang der 1100 km, die ab Genf über Le Puy bis nach Saint-Jean führen.
Da der Pfarrer nach der Totenmesse noch in der Kirche ist und ich unschwer als Pilgerin zu erkennen bin, kommt er zu mir, spricht mich an, woher ich komm, wohin ich geh, stempelt meinen Pass und wünscht mir alles Gute für meinen Weg.
Als ich Valencogne den Rücken drehe, entdecke ich in einer Mauernische in der Nähe der Kirche noch eine kleine Statue von St. Jacques. Vergittert. Traurig, dass man heutzutage alles schützen muss, damit es keine Beine bekommt oder zerstört wird.
Promenieren am Lac Paladru
Wenigstens hört es auf zu regnen, als ich meinen Weg fortsetze, aber schön ist trotzdem anders, schmuddelig trifft es besser. Dann klart es tatsächlich etwas auf und ich begehe einen folgenschweren Faut Pax: Ich bin so beeindruckt von der schönen Aussicht von oben auf den plötzlich vor mir liegenden Lac de Paladru, dass ich mich von Schildern zum Hotel "Balcon du lac", welches nicht am Jakobsweg liegt, irreführen lasse. Schwupps bin ich vom Weg abgekommen, bevor ich bis drei zählen kann. Leider bemerke ich das erst, als ich nach 100 abgestiegenen Höhenmeter auf Seelevel bin. Wieder zurück den Berg rauf? Ich entscheide mich für eine flache Alternative, eine Wanderung an der "Seepromenade". Leider ist die nur in meiner Vorstellung existent und ich folge, nachdem das einzig am See gelegene Restaurant geschlossen hat und eine verdiente Pause ausschließt, der Schnellstraße ohne Fußgängerweg. Ich gehe knapp zwei Kilometer auf einem sehr schmalen begrünten Streifen, mehr Graben als sonst was, während LKW mir von vorne mit hoher Geschwindigkeit entgegendonnern, bis ich an einen Kreisverkehr mit Abzweig nach Le Pin komme.
Ein Rat: Vermeidet dieses Stück Straße! Es ist nicht nur ein ziemlicher Umweg, sondern richtig gefährlich für Fußgänger.

Als ich schließlich ganz schön kaputt und durchgefroren in Le Pin ankomme, kann ich mein Glück kaum fassen: ein offenes Café! Naja, es ist mehr sowas wie die drei Generationen-Dorfkneipe, das "Bistro du Pin", aber egal. Durch das Fenster sehe ich schon, dass auch Franziska diesen Ort gefunden hat und sich aufwärmt. Sie winkt mir zu, wir freuen uns über unser spontanes Wiedersehen, ich bestelle mein Energie-lade-Gedeck: heißen Tee und kalte Cola, während ich bereits eine weitere Freundschaft mit dem Kneipenhund schließe, der ein bisschen Zuneigung nötig hat.
Chassignieux, wo meine heutige Unterkunft ist, liegt nur noch etwa 20 Minuten entfernt. Franziska möchte noch ein paar Kilometer mehr machen. Nach einer ausgiebigen Pause verlässt sie mich wieder. Ich bleibe noch etwas, denn ich habe noch Zeit bis 17.00 Uhr. Das ist die früheste Ankunftszeit, die die meisten Gastgeber für ihr Pilger angeben.
Ein Herz für Pilger
Als ich mein Quartier in Chassignieux bei Roland erreiche, sehe ich neben seinem Haus dieses an die Garage gemalte Bild. Wieder jemand, der ein großes Herz für die Jakobspilger hat.

Außer mir sind bei ihm heute noch Andre, ein weiterer Deutscher, und Siegfried, ein Österreicher, der den Weg umgekehrt, also von Santiago nach Hause läuft, zu Gast. Sigfried hat ein sonniges, herzliches Gemüt, zuhause eine Hofbrennerei und viel zu erzählen. Der Abend vergeht wie im Flug, bevor es Zeit wird die Augen zu schließen und sich auszustrecken für die Nacht.
Neunte Übernachtung: Pilgerunterkunft (Accueil pelerins) bei Roland
Roland hat Platz für vier Pilger in einem kleinen Anbau, bietet allerdings kein Abendessen an, dafür aber ein Frühstück in seinem Wohnzimmer. In einer Miniküche, kann man sich jedoch selbst versorgen, wenn man auf dem Weg zu ihm vorher in Le Pin den Supermarkt besucht hat, was mir gelungen ist.
Tagesfazit: Es sind mehr als 25 Kilometer geworden heute, dank es Umweges. Anstrengend, aber machbar. Der Weg hielt keine besonderen Herausforderungen bereit.
Morgen ist der 8. Mai. Ein Feiertag in Frankreich, alles wird noch geschlossener sein, als schon an den normalen Tagen, wo nichts geöffnet ist. Aber es wird schon werden. Bestimmt. Ich vertraue darauf.
Der nächste Etappenstopp heißt für mich: La Frette
Wenn du Frau Pilgerhut weiter durch Frankreich begleiten willst, lies weiter im nächsten Beitrag.
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