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Pilgern auf der Via Gebennensis: Chanaz - Yenne Etappe 6

  • Autorenbild: Pilgern unter einem Hut - Unterwegs mit Sandra
    Pilgern unter einem Hut - Unterwegs mit Sandra
  • 9. Okt.
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 13. Okt.

Lies unten, weshalb Frau Pilgerhut sich heute für eine Alternativroute entscheidet und wovon es heute definitiv zu viel gibt

Via Gebennensis - Tag 6 - Die erste Schlechtwetterfront

Auf dem Weg nach Yenne, Mont de la Charvaz
Auf dem Weg nach Yenne, Mont de la Charvaz

Wenn die Nacht zum Tag wird


Tag 6: Pilgern auf der Via Gebennensis von Chanaz nach Yenne. Ah, endlich kühleres Wetter. Mitten in der Nacht bin ich von einem kräftigen Gewitter aufgewacht. Genaugenommen von den Blitzen, die im Sekundentakt zuckten und das Zimmer erhellten, während der Regen mahnend gegen die Scheibe trommelte. Heute morgen hat sich das Wetter wieder beruhigt, die Straßen sind zwar noch nass, aber es regnet nur ganz minimal, als ich, nach einem erlesenen Frühstück mit Käse, Schinken (!) und Hustensaft, Richtung Yenne starte. Gefühlt sind es 20 Grad weniger als gestern. Nein. Nicht nur gefühlt. Ist ein Fakt. Es fröstelt mich etwas. Jackenzeit. Wieso muss denn immer alles gleich so extrem sein?


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Passend zum Wetter hat man in der Gasse, wo ich wohne ein paar bunte Schirme aufgespannt. Die hingen allerdings auch schon gestern bei meiner Ankunft da, als es noch sonnig war. Also Allwetterschirme.


Zeit für die Alternativroute


Die Etappe, die heute auf mich wartet, ist 19 km lang. Klingt erstmal machbar, oder? Zumal es mehr bergab als bergauf geht heute. Die Anstiege sind moderat. Aber wie so oft bei Pilgertagen: In der Distanz liegt nur die halbe Wahrheit. Denn, wie wir ja wissen, geht es nicht nur ums "Irgendwie Ankommen", sondern auch um das Innehalten, die kleinen Wunder unterwegs, und auch um das Meistern der unvorhersehbaren Herausforderungen wie Wetter, Wegbeschaffenheit oder Gesundheitszustand. Eine solche Herausforderung steht heute, kurz vor Ende, in Form eines steilen Abstiegs nach Yenne an, beginnend kurz hinter der Kapelle Saint-Romain, die einen Besuch wert sein soll.

Leider hat mir einer der Betreiber meiner Auberge beim Frühstück davon abgeraten diesen Weg bei solchen Verhältnissen - Und schon gar nicht allein! - zu gehen. Zu nass und rutschig, nach dem Gewitter der Nacht. Da ich nicht davon ausgehen kann, ausgerechnet heute auf eine Pilgerbegleitung zu stoßen, die bei der Kapelle nur auf mich wartet, um mit mir gemeinsam abzusteigen und mich im Notfall zu bremsen, werde ich mich wohl bemühen die für diesen Falle in meinem gelben Heftchen eingezeichnete Alternativroute in der Realität nicht zu verpassen.



Heute ist alles grün, bis auf die Kühe


Die ersten Kilometer führen mich durch die wunderschöne Landschaft Savoyens. Der Weg schlängelt sich über sanfte Hügel, entlang an Feldern, vorbei an Wäldern und Hängen mit Rebstöcken. Ein saftiges Grün beherrscht heute jeden Ausblick in die Ferne. Fast sieht es aus, als hätte der wolkenverhangene Himmel auch einen leichten Grünstich.


Die Kühe hier sind sehr interessiert an Fußgängern
Die Kühe hier sind sehr interessiert an Fußgängern

Nur die Kühe stechen aus dem Grün hervor. Statt Zweibeiner treffe ich auch heute wieder jede Menge dieser Vierbeiner, die mich aufmerksam beobachten, während ich an ihren üppigen Weidegründen vorbeitrabe. Schließlich, nach etwas mehr als der Hälfte der Strecke, komme ich in das Dörfchen Jongieux, wo ich bis zur Kirche laufe. Leider hat es wieder angefangen etwas stärker zu regnen und draußen ist es reichlich ungemütlich zum sitzen, also verlege ich meine erste Pause heute in die Kirche.

Nur ein paar Hundert Meter von der Kirche entfernt finde ich anschließend ein Schild für die Alternative nach Yenne, die den steilen Abstieg umgeht. Schade, eigentlich hätte ich die Normalroute schon gerne ausprobiert, aber nach der Ansage heute Morgen traue ich mich nicht mehr. Ich glaube zwar nicht, dass ich gleich Hals über Kopf metertief abstürzen würde, aber wenn zu dem die Chance gering ist, dass jemand vorbei kommt, um Hilfe zu holen, reicht es schon, wenn man einmal blöd auf einem nassen Stein ausrutscht und sich den Knöchel verstaucht, um dort ewig festzusitzen und im schlechtesten Fall die Via vorzeitig beenden zu müssen. Mutig sein ist eine Sache, nicht leichtsinnig und Gefahren richtig einschätzen können, eine andere.


Kirche in Jongieux
Kirche in Jongieux

Trotz Schilder verlaufen


Der Alternativweg nach Yenne ist trotz seiner Markierung etwas tricky. An einer Stelle verlaufe ich mich, der Weg mündet in eine Wiese und endet dort im hohen Gras, wo der Imker seine Bienenvölker aufgestellt hat. Das kann eigentlich nicht sein. Ich gehe zurück und nach intensiven Suchen gelingt es mir den Jakobsweg wieder zu finden. Auch dieser Teil steigt dieselben Höhenmeter ab, zurück an den Flusslauf der Rhone, allerdings gemächlicher.



Die Rhone hat über Nacht ihre Farbe zu einem freundlichem Olivgrün gewechselt. Zum Glück hat es wieder aufgehört zu regnen, aber für den frühen Abend ist ein weiteres Gewitter angesagt, deshalb bin ich bemüht die letzten Kilometer in das Städtchen Yenne schnell zurückzulegen. Ich spreche kurz mit einem Hundebesitzer, der mir entgegenkommt, und mir eine tolle Weinverkostung in einem Haus am Weg empfiehlt, ganz in der Nähe, aber natürlich nicht ahnen kann, dass mir "Banausin" an trockenem Wein wenig liegt, viel weniger als an trockenen Füßen.


Über Nacht ist die Rhone von blau zu gelb-grün- bräunlich mutiert
Über Nacht ist die Rhone von blau zu gelb-grün- bräunlich mutiert

Sechste Übernachtung: Airbnb Yenne


Gegen 16.00 Uhr komme ich, tatsächlich relativ trocken, in Yenne an. Ein ruhiger Ort, der durchaus etwas frische Farbe an viele Fassaden gebrauchen könnte, dafür aber Geschäfte, Restaurants, einen riesigen Supermarkt, eine Bus- & Bahnanbindung und sogar ein kleines pilgerfreundliches Hotel zu bieten hat.

Ich habe mich erstmalig für ein günstiges Airbnb entschieden, das leider nicht ganz im Zentrum liegt und mir einen Extrakilometer zu Fuß beschert. Jemand hatte es mir von Deutschland aus empfohlen. Etwas versteckt gelegen, in einem uralten, baufälligen Gebäude, Eingang auf der Rückseite, finde ich es schließlich. Das Treppenhaus verdient definitiv das Prädikat "altehrwürdig" - es klingt beim Betreten, als würde es seufzen: „Pardon, meine Geduld mit Besuchern ist seit Jahrzehnten abgelaufen.“ Aber hinter der Wohnungstür unterm Dach ist alles schick und modern eingerichtet.



Nach Dusche und der Zubereitung des Abendessens, gegen 19.00 Uhr, bricht das angekündigte Unwetter los. Puh. Ähnlich wie letzte Nacht, aber statt zuckender Blitze gibt es umso mehr Wasser. Wasser, Wasser, viel Wasser kommt herunter. Viel zu viel. Wo soll das alles hin? Starkregen. Es steht schon auf der Straße, weil die Gullys voll sind. Wenn das so weiter geht, muss ich morgen die Arche Noah klarmachen und hoffen, dass ich, einzelnes Pilgerexemplar, noch mitdarf.

Ich schaue auf meine Wetterapp. Morgen früh soll es zumindest nur leicht regnen. Ich habe eine der größeren Bergetappen vor mir. 700 Meter Höhendifferenz über den Pass des Col de Mont Tournier mit tollem Ausblick auf das Bergmassiv gegenüber mit einem markanten Berg, dem Dent du Chat (= Katzenzahn). Es wird wohl Zeit meine Regenhose einzuweihen. Ich dachte schon, ich hätte sie umsonst mitgeschleppt und weiß nicht, was mir lieber gewesen wäre.


Tagesfazit:


Es lief sich ganz wunderbar heute und ich fühle mich so fit wie noch an keinem Tag zuvor, was sicherlich auch mit den gemäßigten Temperaturen zusammenhängt. Selbst durch den Rucksack mit seinem Gewicht fühlte ich mich heute nicht belästigt.

Nach der ersten ruckeligen Woche bin ich jetzt richtig angekommen. Ähnlich wie in Spanien. Ich brauche einfach meine Zeit. Und bin endlich auch sicher, dass der Husten, obwohl nach wie vor existent und nervig, mich nicht mehr davon abhalten kann bis nach Le Puy zu pilgern.



Der nächste Etappenstopp heißt für mich: St. Maurice de Rotherens

Wenn du Frau Pilgerhut weiter durch Frankreich begleiten willst, lies weiter im nächsten Beitrag.




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Die Frau (unterm) Pilgerhut:

Kopie von 20220422_192619_edited_edited.jpg

Autorin | Pilgerin | Pilgersteinmalerin | Hobbyfotografin |

4 Jakobswege = 1650 km

Buen Camino!

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