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Pilgern unter einem Hut - Unterwegs mit Sandra

 

Bayerisch Schwäbischer Jakobsweg 

Etappe 4:  Donauwörth - Kloster Holzen 15,7 Km

 Tagebucheintrag

Donnerstag 09.07.20 Tag 4

Stock und Hut  steh’n ihr gut, sie war wohlgemut! Ich habe gut gegessen, genächtigt  und gefrühstückt. Mit gepacktem Säcklein, ziehe ich Richtung Süden weiter. Mein Tagesziel ist das wunderschön gelegene Kloster Holzen.

Wettervorhersage: Hot, Hot, Hot
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TripleP-PilgerPortalPlus

Mit einer der dortigen Angestellten hatte ich schon im Vorfeld bei meiner Buchung einen sehr nettenTelefonkontakt. Das Kloster bietet nämlich für seine Gäste recht exklusive Übernachtungsmöglichkeiten

in seinem Hotel  an. Dementsprechend sind auch die Übernachtungspreise auf gehobenem Niveau.

Für den Jakobspilger bietet das Kloster Holzen jedoch ein Zimmer in einem topmodernen extra Gästehaus zu einem sehr zivilen Preis an. Man muss nur bei der Ankunft den Pilgerpasvorweisen und bekommt dann die Sonderkonditionen.

Damit verdient sich das Kloster in meinen Augeneindeutig das Prädikat „pilgerfreundlich“ und fünf Sterne im noch zu gründenden „TripleP-PilgerPortalPlus“.

Kurz hinter Donauwörth treffe ich auf Maria. Sie kommt mir auf dem Rad entgegen und steigt dann auf meiner Höhe ab. Sie enttarnt sich als Pilgerin und erzählt mir von ihrer Pilgertour im letzten Jahr, die sie von ihrer Haustür in Donauwörth 53 Tage lang über Kempten im Allgäu und die Schweiz bis nach Frankreich geführt hat. Damit haben wir sofort ein gemeinsames Thema - und sie meine Bewunderung. Wir stehen bestimmt eine halbe Stunde und tauschen uns aus. Eigentlich hätten wir uns noch viel mehr zu erzählen gehabt. Ich weiß nicht, ob es den Pandemiezeiten geschuldet ist oder einfach nur meiner fehlenden Spontanität in der Situation, jedenfalls verpassen wir es unsere Kontaktdaten zu tauschen und ich bedaure dies schon kurz nachdem sich unsere Wege getrennt haben.

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Ein lauter Vogel kreist über mir

Gedankenversunken setze ich meine Wanderung fort. Ziemlich eben geht der Jakobusweg, am Flüsschen Schmutter, an Wiesen, Weiden und Getreidefeldern vorbei. Ab und zu gibt es sogar ein paar Spaziergänger. Je weiter ich mich jedoch von der Stadt entferne, desto einsamer wird es wieder.

Dann beobachte ich einen großen Bundeswehrtransporthelikopter, der anscheinend in niedriger Höhe über den Feldern – also auch über mir – ein paar Flugmanöver, zu welchem Zweck  auch immer, macht. Er kreist mehrfach über meinen Kopf hinweg und seine Rotoren verursachen gehörigen Lärm.  Irgendwie fühle ich mich beobachtet. Als er für ein paar Momente fast senkrecht in der Luft über mir stehen bleibt,  komme ich nicht umhin mir vorzustellen, wie gleich ein paar Soldaten in Sturmmontur an abgelassenen Seilen zu mir herunterrutschen und mich umzingeln.  Habe wohl „Black Hawk Down“ einmal zu oft gesehen. Es passiert natürlich nichts weiter, aber trotzdem ist es irgendwie ungemütlich. Ich lege einen Zahn zu und der Hubschrauber dreht ab und verschwindet. 

Das Schöne an dieser Tagesetappe ist, dass man das Kloster Holzen schon aus der Ferne auf einem Hügel erkennen kann. Das Unschöne daran – es dauert halt doch länger als es aussieht, bevor man da ist.

Es ist verdammt warm, meine Socken qualmen gewaltig, die Kleidung klebt mir mal wieder am Körper, während ich dem Kloster immer näher komme. Ein paar Hundert Meter vor dem Ziel gibt es einen Wegweiser zu einer natürlichen Kneippanlage. Oh wie wunderbar, denke ich in Erinnerung an meine Wemdinger Erfahrung, und folge dem Pfad ca. 50 Meter nach links in die Botanik. Jetzt aus den heißen Stiefeln raus und die geschwollenen Füße kühlen wäre super.

Wie ist die Schmutter? Schmut _ _ _!

Noch bevor ich jemanden sehe, höre ich Stimmen. Dann breche ich schon wie ein goldener Hirsch durch‘ s Unterholz und sehe zunächst zwei Fahrräder an einen Baum gelehnt. Etwas weiter entfernt, im Unterholz des Ufers, steht eine Frau im Badeanzug, die gerade im Begriff ist in die schlammige, vielleicht hüfthohe, Schmutter zu springen. Rechts von ihr steht ein Mann in Shorts. Nach meinem Ermessen  nimmt er nach einer kurzen Gewässerprobe mit dem Fuß Abstand davon es der Frau nachzutun. Sie fordert ihn vehement auf ihr doch zu folgen, aber irgendwie kann der Mann sich nicht überwinden, was ich ihm nicht verdenken kann. Weder sieht der zugewachsene Uferbereich, noch das Wasser selbst besonders einladend aus.

Ich grüße freundlich und trete an die naturbelassene Kneippanlage heran, die scheinbar mit dem verschlammten Wasser aus dem Fluss gespeist wird. Die Anlage ist augenscheinlich länger nicht gesäubert worden und total verdreckt. Ich bin enttäuscht. Nee, da werde ich meine Füße jetzt nicht reinstecken.  Schade, schade.

Habe den Eindruck, die beiden fühlen sich von mir bei ihrer Pause gestört, aber nun bin ich halt schon mal da. Ich versuche trotzdem ein Gespräch mit dem Fahrradcouple zu beginnen, und interessiere mich für ihre Radlpläne, aber irgendwie hat die Frau die Handbremse drin. Es passt nicht. Na gut, dann eben nicht. Ich nehme noch eine kleine Stärkung zu mir, dann ziehe ich mich wieder zurück und setze meinen Weg fort.

Nach dem finalen Anstieg auf den Klosterberg (Warum liegen Kloster eigentlich immer auf einem Berg?)  erreiche ich dieses etwa 20 Minuten später. Ich bin fix und fertig, aber da.

Das tolle Kloster Holzen

Als ich mich körperlich wieder etwas erholt habe, entwickelt mein Geist auch wieder die Muße die Schönheit des Ortes aufzunehmen.  Ich bin total begeistert von der Lage, den Klostergebäuden, der Außenanlage mit ihrem liebevoll angelegtem Kräutergarten und den Obstbäumen, meiner Unterkunft im Gästehaus, von der Freundlichkeit der Mitarbeiter und nicht zuletzt vom Essen. Habe ich etwas vergessen?

Kleine Gesten haben immer eine große Wirkung. In meinem Zimmer habe ich ein liebevoll gestaltetes, duftendes Lavendelsäckchen, gefunden. Ich halte es an meine Nase und nehme  einen tiefen Atemzug voll Lavendelduft.

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