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Infos zur Etappe:

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 Den Pilgerstempel gibt es im Klosterlädchen Fürstenfeldbruck

Pilgrimage under one hat - on the way with Sandra

 

Bavarian Swabian Way of St. James  

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Stage 11:  From Bad Wörishofen  to Markt Rettenbach  - 22.6 km

Sonntag, 02.01.2022

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Kalter klarer Wintermorgen - mit viel Sonne ohne Sorgen

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Eine sonntägliche Wintertagesetappe beginnend in Grafrath, die zum wunderschönen Ammersee führt, wo es tatsächlich um die Mittagszeit auch schon im Januar voll wird. Für Foto- und Bankliebhaber geeignet

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Wie schon vor gut zwei Wochen auf der zuletzt gelaufenen Etappe nach Grafrath zeigt die Außenthermometeranzeige vor Verlassen des Fahrzeuges auch heute wieder unter 0 Grad an. Verflixte Axt. Ich werde mich einfach nie dran gewöhnen, dass es im Winter immer so übelst kalt sein muss.

Ich stehe auf den Parkplatz neben der Wallfahrtskirche St. Rasso in Grafrath und ignoriere das Schild 20 Meter neben mir. Parken ist nur für Kirchgänger erlaubt und ich bin heut halt nur ein Gänger ohne Kirch. Ich hoffe einfach mal, dass mein Vorhaben von weiter oben wohlwollend beobachtet und mir erspart bleiben wird am frühen Abend bei meiner Rückkehr das Auto anderswo suchen, bzw. abholen zu müssen.

  

Heute ist mein einziger Begleiter mein Rucksack. Ich habe extra keine Ziegelsteine eingepackt, achte aber aus Trainingsgründen für den in 4 Monaten geplanten Camino Frances trotzdem darauf, dass mein Gepäck nicht zu leicht ist. So schleppe ich bei diesen schlappen Temperaturen trotzdem knapp zwei Liter Wasser mit mir rum von denen ich jetzt schon weiß, dass ich sie nicht trinken werde. Hoffentlich muss ich sie nicht irgendwann lutschen. Übertreibe ich schon wieder?

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Es ist kurz nach neun, als ich loslaufe.

Das erste Stück bis nach Inning führt mich entlang der B 471. Es herrscht am Sonntag um diese Zeit glücklicherweise noch nicht allzu viel Betrieb auf der Straße. 

Der Tag beginnt für mich mit einer dicken Schicht weißem Raureif auf den Wiesen neben der Straße.

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Ist das Nierchen zu schnell kalt, wird die Frau so langsam alt.... 

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An Weidezäunen hängen glitzernden Wassertropfen, in denen sich das Licht der aufsteigenden Sonne  bricht. Ich versuche das besondere Schauspiel fotografisch einzufangen, aber es gelingt mir nicht zu meiner Zufriedenheit. Schließlich verliere ich die Geduld, was nicht zuletzt daran liegt, dass ich das Gefühl habe während dieses Stehens auch auf Oberschenkeln und Gesäß eine unsichtbare Schicht Raureif zu spüren. Es ist empfindlich kalt. Ich fluche innerlich. Warum zum Henker hab ich denn schon wieder nicht meine lange Thermounterhose angezogen? Gibt's doch nicht, dass das nicht reingeht in meinen Schädel! Bei meinem Sohn wunder ich mich ja auch, dass er aus kalten Wettererfahrungen und halberfrorenen Händen nicht für's nächste Mal lernt. Jetzt weiß ich, wo er das her hat.

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Da hilft nur viel Bewegung....wie beim letzten Mal....und vor der Speicherabteilung Kälteerfahrungen im Hirn ein mentales Post it "Check - Thermounterwäsche" für die Zukunft.

Immerhin habe ich mir heute ein Minisitzkissen, leider unbeheizt, aber zum Schutz gegen Bodennässe geeignet, mitgenommen. Darauf kann ich mich wenigstens mal gemütlich irgendwo zum Essen setzen, ohne Angst haben zu müssen auf gefrorenem Grund gleich eine Nierenbeckenentzündung davon zu tragen. Meine Güte! Das sind Gedanken, die hätte ich vor 20 Jahren auch nicht gehabt....  

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Der Tag beginnt vielversprechend  und  wie' s aussieht werde ich die ganze Zeit der Sonne entgegengehen. Ich freue mich wirklich sehr sie heute - nach längerer Abstinenz ihrerseits - als Gefährtin dabei zu haben. Da macht das Fotografieren gleich soviel mehr Spaß ,wenn anschließend nicht nur  unterschiedliche Grauabstufungen auf den Bildern zu erkennen sind. 

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Ein bemalter Stein bleibt selten allein

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Ganz im Hintergrund kann ich schon die Alpen erkennen, davor liegt ,aus dieser Perspektive noch verborgen, der Ammersee, auf den ich zusteuere. Es macht richtig Spaß heute zu laufen.

Ich pfeife falsch diesen irischen Ohrwurm, "The Wellerman" vor mich hin, als plötzlich, komplett unerwartet,  so ein handbeschriebener Stein auf einem großen anderen Stein rumliegt. Direkt am Wegrand.  Nein, es ist keiner meiner Steine, den ich hier zufällig wiederfinde, weil er von einem anderen Pilger genauso zufällig hier abgelegt wurde. Das wäre sowieso mal 'n Ding!

Aber diesen hier hat jemand anderes hinterlassen und ich entscheide mich, damit sich der beschriftete Stein nicht so einsam fühlt, einen meiner ebenfalls beschrifteten Pilgersteine dazu zu drapieren. Das grenzt schon an Kunst und falls irgendwann jemand diese Fotografie auf Großleinwand gezogen  in einer Kunstgalerie sehen sollte - schon mal merken! Der Titel des Bildes lautet: Stein an Stein auf Stein.

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Nach knapp 5 Kilometern lädt mich diese Tankstelle kurz vor der Autobahnauffahrt zur A 96 gelegen, auf ein Heißgetränk ein. Also optisch, nicht faktisch.

Was soll denn dieser riesige XXL- Kaffeebecher to go auf dem Dach? Das sind ja schon amerikanische Verhältnisse. Machen die hier allen Ernstes noch Werbung für Einmalbecher ? Ich widerstehe mit Leichtigkeit. Bin ja eine lupenreine Teetrinkerin.  Außerdem ist mir ist gar nicht mehr so kalt und ich hoffe das gilt auch für meinen Wasservorrat.  

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Nach dem See, klemmt ein P

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Leider verläuft die Wegführung ab jetzt für gut einen Kilometer parallel zur Autobahn, was man selbst am Sonntagmorgen nicht ignorieren kann. Da ich nun nur noch weiß, dass ich falsch pfeife, es aber nicht mehr hören kann, lasse ich es lieber gleich sein.  

Ich bin froh, als ich den Lärm endlich hinter mir lassen kann und sich auf der Brücke über die Amper erstmals dieser Blick auf den See öffnet.

Hier fließt sie also ab, die Amper, aus dem Ammersee, Richtung Norden, bis sie schließlich in die Isar mündet, dann in die Donau und eine Ewigkeit später schließlich ins Schwarze Meer. Wie lange so ein Wassertropfen wohl braucht bis er von hier ins Schwarze Meer geflossen ist?

Ich habe keinen blassen Schimmer.

Seit Kranzberg, bin ich der Amper mehr oder weniger nah gefolgt  und gerne auch mal drüber gelaufen. Damit ist jetzt Schluss.

Stellt sich nur noch die Frage: Warum heißt der See nicht Ampersee? Oder warum heißt der Fluss, der auf der Südseite von den Alpen her in den Ammersee fließt, Ammer und nicht Amper?  Hat da vor Hundert Jahren bei irgendwem das m nach dem ersten Anschlag auf der Schreibmaschine geklemmt? Oder das P?

Für das Fotografieren von blauen Himmel, Sonne und Wasser konnte ich mich schon immer begeistern.  Nach ein paar Minuten komme ich zum Ufer des Ammersees, dem drittgrößten bayrischen See, und einem beliebten Erholungsgebiet. Nachdem man zunächst in einiger Distanz zum Ufer daran entlangläuft, ohne einen ordentlichen Blick durch die Botanik zu erhaschen, tritt man an dieser Stelle  das erste Mal direkt ans Ufer und hat freie Sicht auf dieses schöne Fleckchen Natur. Ich atme tief durch. Der See hat eine unglaublich beruhigende Ausstrahlung auf mich.

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Wow, ist das toll hier!

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Man könnte fast denken, man wäre am Meer, aber bei genauer Betrachtung sieht man natürlich das einst grasige und nun durch die winterliche Bodennässe aufgeweichte, fast schon morastige Ufer an dieser Stelle. Egal. So genau will ich den Boden gar nicht ansehen. Ich genieße einfach den Blick auf Berge und Wasser und freue mich, hier zu sein. Zum Glück gibt es hier genügend Bänke.

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Ich krame mein Sitzkissen hervor und platziere es auf einer Triple-P-Bank ( = Perfekter-Picknick-Platz). Gut, die Beine winkele ich an, damit die Schuhe nicht im Matsch stehen müssen. FlipFlops wären hier jetzt eher ungeeignet. Zum Glück gibt es nur wenige Menschen, die im Januar mit FlipFlops am Ammersee picknicken. Aber man soll nie nie sagen. Es gibt schuhgeplagte Zehen, die brauchen auch im Wetter Luft um die Nägel.  Alles schon gesehen...

Testschluck aus der Wasserflasche. Auch der Aggregatszustand des Wassers  hat sich nicht verändert. Unverändert eiswürfelfrei. Während ich so mein Brot vor mich hin kaue,  bewundere ich die toughen SUP'ler und Kanuten, die sich bei diesen spärlichen Luft- und Wassertemperaturen schon raus trauen. Klar, sie tragen einen Neoprenanzug. Aber selbst mit Anzug möchte ich nicht reinfallen. 

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Ammerseelove

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Nach weiteren 30 Fotos in alle Richtungen verlasse ich diesen schönen Platz und mache mich auf den Weg weiter entlang des Sees nach Schondorf. Es ist um die Mittagszeit und noch ein paar Grad wärmer geworden, was einige Sonntagsausflügler bestärkt hat sich ins Auto zu setzen mit Ziel Ammersee. Es wird nun merklich voller am Ufer. Ich teile mir den Weg mit vielen Zweibeinern unterwegs mit und ohne Vierbeiner, sowie Zweiradfahrern eher ohne Vierbeiner, dafür öfter mit Minizweibeinern im Anhänger. Der Weg wird in beide Richtungen frequentiert und ich höre zwangsläufig immer wieder sonntägliche Gesprächsfetzen mit. Manche würde ich am liebsten kommentieren. Andere lösen nur Verwunderung in mir aus. Statt sich über so einen Tag in dieser Natur zu freuen, wird über Banalitäten gejammert und gezankt.  Hat der Mensch keine Probleme, dann erfindet er sich schnell selbst welche, um unglücklich zu sein.

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Schondorf ist ein schönes Dorf

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Entlang des Sees erwarten den Wanderer immer wieder romantische Ausblicke und hübsche Rastplätze, aber ich kann ja nicht ständig Pause machen! 

Die Zeit vergeht heute wie im Fluge, es macht einfach großen Spaß unterwegs zu sein. Die Sonne trägt ihren Teil gehörig dazu bei.

Und schon stehe ich in Schondorf. 

Sorry, ich mag einfach diese Wortwitze.

Schondorf ist ein schones Dorf (haha) und ich stehe mit meiner Meinung nicht alleine da. Die Seepromenade am Dampfersteg ist vollgeparkt und es wimmelt vor Menschen, die ihre Gesichter in die Sonne halten, flanieren, fotografieren und sogar auf der Freifläche Boule spielen.

Am auffälligsten ist jedoch, dass viele von ihnen einen suchenden Eindruck machen. Natürlich, zu einem gelungenen Sonntagsausflug gehören auch Kaffee und Kuchen  oder traditionell ein kühles Alkoholgetränk . Die Menschen sehnen sich in diesen Zeiten so sehr nach solch kleinen Freuden. Doch die meiste Außengastronomie hat geschlossen. Und ich bin nicht sicher , ob ich in dem  letzten Satz das Wörtchen "noch" hätte ergänzen sollen.  Ich sehe nur ein einziges Cafe, das geöffnet hat und natürlich aus allen Nähten platzt. Teilweise mag dies an der Jahreszeit liegen, aber wohl mehr an den mal wieder steigenden Inzidenzzahlen und der  augenblicklich geltenden 2G+ Regel in der Gastronomie.

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Festhalten am Geländer, sonst gibt's gerissene Bänder

Pass auf auf alte Steine, sonst brichst du dir die Beine

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Die Schondorfer haben Hans Pfitzner, einen Komponisten ein Denkmal gestellt. Mir sagte der Name bisher nichts, fotografiere es aber mal vorsichtshalber.

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Ich wende mich der Kirche St. Jakobus, auf einem kleinen Hügel direkt am Seeufer gelegen, zu und steige die breiten, einladenden Treppen zum Vorplatz hinauf.

Sie gehört zu den ältesten, fast im ursprünglichen Zustand erhaltenen romanischen Kirchen in Südbayern.  Die nun folgenden schmalen Eingangsstufen zur einzigen Tür sind so unregelmäßig, abgenutzt und  verwittert, dass die Gemeinde ein Warnschild angebracht hat.

Frei übersetzt:   

Die Besucher sollen sich lieber an das Eisengeländer klammern, statt zu fallen und sich zu verletzen.

Den Hang der Denkmalschützer zu historischer Originaltreue in allen Ehren, aber gerade für ältere Interessierte fände ich es angemessen, diese Stolperfalle zu entschärfen. Alte Steine am Kirchengemäuer ok. Aber wer braucht denn alte Eingangsstufen?

 

Auf einer Homepage hatte ich gesehen, dass es einen Schondorfer Pilgerstempel mit Motiv St. Jakobus gibt, den ich hoffe im Inneren der gleichnamigen Lokalität zu finden. Leider werden meine Hoffnungen nicht erfüllt.

Es gibt keinen Stempel in dem alten Tempel.

Da ich nicht weiß, wo ich sonst danach suchen sollte, ziehe ich weiter Richtung Utting, meinem Tagesziel. Vielleicht habe ich dort mehr Glück. 

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Noch ein letztes romantisches Foto vom Anlegesteg, dann kehre ich dem schönen Schondorf schon den Rücken.

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Ziel erreicht und das Auto ist auch noch da!

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Die letzten Kilometer nach Utting sind unspektakulär. Es zieht sich ordentlich zu, und meine Gefährtin verbirgt sich immer häufiger hinter den Wolken. In Utting am Dampfersteg angekommen, halte ich mich nicht lange auf, sondern nehme den direkten Weg zum Bahnhof und habe Glück in einen bereitstehenden Regionalzug Richtung Norden springen zu können. Da der nächste erste einige Zeit später gefahren wäre, verzichte ich lieber auf eine Uttinger Erkundung und verschiebe dies auf die nächste Etappe, wenn ich von Utting weiterlaufen werde.

In Grafrath entlässt mich die S4 nach vorausgegangenen Umstieg in Geltendorf. Ich laufe noch ca. einen Kilometer zurück zum Parkplatz. Währenddessen wird es langsam dunkel und die Sonne zeigt noch ein letztes mal für heute ihre Anwesenheit und wärmt die Alpen.


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Ein bisschen bange schaue ich um die letzte Biegung auf den Parkplatz. Aber das Auto steht noch da. Dankeschön dafür!

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Direkt daneben, am Rasso Pilgerwegschild, wo ich vor zwei Wochen meinen Pilgerstein optimistisch in die Box habe plumpsen lassen, angele ich diesen nun wieder heraus. Ich muss leider einsehen, dass dies wohl nicht der richtige Ort war, und wohl auch nicht die richtige Zeit für Pilgersteinreisen.  Nach nur zwei Wochen den harschen Wetterbedingungen ausgesetzt zu sein, befindet sich die lackierte Oberfläche des Steines in einem schlechten Zustand. Der unterseitig laminierte QR Code ist verlaufen, die Schrift auf Oberseite ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen. Traurig lasse ich den Stein wieder in meine Tasche plumpsen. Er muss aufgearbeitet werden, bevor er erneut reisen kann. Meine Techniken muss ich verbessern. Aber noch ist ja nicht aller Tage Abend!

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Tagesfazit: Bisher die schönste Etappe, finde ich. Daumen hoch.

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